Einblicke in den Unterricht 2022/2023

Vom Löss - Bericht KW 38

Bei unseren Rundgängen auf dem Dottenfelderhof in der 38. Kalenderwoche betrachten
wir die beiden charakteristischen Bodentypen des Hofes. Da ist zum einen das vom Fluss
Nidda geprägte untere Land und zum anderen das durch den Löss geprägte obere Land.
Beide sind recht junge Erden, sie liegen recht nahe beieinander und sind doch so
unterschiedlich in ihrer Entstehung und ihren Eigenschaften. Dass die Nidda im Laufe der
Zeit immer wieder ihr Flussbett veränderte und dabei große Mengen an Kies und
Sediment ablagerte, ist recht eingänglich. Ich stelle mir den Fluss vor, wie er manchmal
ruhig und manchmal wild über das flache Land des Niddabogens meanderte, der den Hof
umgibt. Beim Löss ist das anders. Dieser kam gegen Ende der letzten Eiszeit mit dem
Wind bis hierher zu uns. Das ist schon eine faszinierende Vorstellung.
Der Löss entstand also vor etwa 11 Tausend Jahren am Ende der letzten Eiszeit in den
Gletschern der Alpen. Die gewaltigen Massen aus Eis bewegten sich langsam
bergabwärts und führten so mit mächtiger Gewalt dazu, dass der Fels langsam aber
stetig zu feinem Staub gemahlen wurde. Je nach seiner Herkunft handelt es sich dabei um
Granit, Glimmer oder auch Quarz. Diese feinen Gesteinskörner wurden nun vom Eis
talabwärts getragen und dabei mit einer feinen Schicht von Kalk und anderen
mineralischen Bestandteilen umhüllt. An den unteren Rändern der Gletscher angelangt,
trockneten die feinen Gesteinskörnchen mit ihrer Kalkhülle und wurden vom Wind über
weite Entfernungen verteilt.
Bei uns angekommen, verbinden sich diese kleinen Körnchen durch ihre Kalkhülle leicht
wieder miteinander, wobei sie viel Luft in den dabei entstehenden Zwischenräumen
einschließen. Das, was den Löss zum Löss macht, ist also zum wesentlichen Teil nicht das
steinerne Ausgangsmaterial, sondern seine Eigenschaft, in der Verbindung mit dem Kalk
in den entstehenden Hohlräumen Luft einzuschließen. Eine faszinierende Vorstellung.
Doch damit nicht genug: Einmal bei uns angekommen, wird der Löss bald wieder durch
Erosion (Ausspülung durch den Regen) mit anderen Sedimenten und Materialien
vermischt. So erscheint der Löss, wie wir ihn hier auf dem Dottenfelderhof vorfinden, in
einer Mischung mit Ton, Sand und anderen mineralischen und organischen Bestandteilen
des Bodens.
Löss bedeckt etwa zehn Prozent der Erdoberfläche und hat damit eine enorme
Bedeutung für die Natur und die Landwirtschaft. Lössgebiete sind sehr fruchtbar. Die
Fruchtbarkeit rührt aus der kleinen, aber nicht zu feinen Korngröße des Gesteins her, die
den enthaltenen Mineralreichtum den Pflanzen leicht zugänglich macht. Durch seine
vielen Hohlräume und Poren, sorgt der Löss für eine gute Durchlüftung. Seine guten
Eigenschaften als Wasserspeicher erleichtern ebenfalls die Bodenbildung. Auf Löss
entstehen tiefgründige, leicht zu bearbeitende und enorm leistungsfähige Böden.

Schweiz Exkursion - KW 40

Es ist erst unsere vierte Woche in der Landbauschule und schon sind wir zusammen „On The Road“. Was für ein Glück und eine Freude gemeinsam unterwegs zu sein.

Mit jeder Minute Fahrt nähern wir uns der Schweiz und schon bald sind wir mitten in den Bergen und schlängeln uns den Furkapass hinauf. Ein Stückchen näher am Himmel, der sich glänzend blau, ohne auch nur eine Wolke über uns erstreckt. Das graue Wetter der Tage vorher hat Schnee gebracht, sodass alle Berge aussehen, als hätte sie jemand mit Puderzucker bestreut. Ich werde ganz hibbelig und will unbedingt in den Schnee. Ein erster kleiner Schneemann und die ersten Schneebälle werden geformt, als wir an einem Parkplatz auf dem Pass halten. Startfoto. Nicht nur für die Exkursion, sondern auch für unser Jahr auf dem Dottenfelderhof. Jetzt geht’s so richtig los.

Wir besuchen den stetig schmelzenden Rhonegletscher und untersuchen seinen freigelegten Untergrund: Große und kleine Steine, abgeschmirgelt von der physischen Kraft der Eismassen. Ganz versteckt in kleinen Nischen oder auf raueren Oberflächen das feine, schon von Wasser umspülte Gesteinsmehl. Der Löss. Dieses erstaunliche Material ist so klein und fein, dass es vom Wind getragen werden kann. Nicht nur bis hinunter ins Tal, sondern über viele tausende Kilometer. In den Eiszeiten ist davon so viel entstanden, dass es auf 10 % der Landoberfläche der Welt vorkommt mit bis zu mehreren Metern Dicke. So auch auf dem Dottenfelderhof. Hier sind wir also am Ursprung des mineralischen Teils unseres Bodens auf dem Hof. Und was kommt als nächstes? Die Pflanzen! Da sind überall Flechten und Moose, kleine Gräser und schon fast Büsche und bald Bäumchen. Mit etwas Wärme, Licht und Wasser schaffen es diese erstaunlichen Pflanzen sich an so lebensfeindlich erscheinenden Orten festzuklammern und dem Mineralischen Leben einzuhauchen. Hier kommt die Organik dazu. Hier beginnt es Boden zu werden.

Ein paar Entwicklungsschritte später und für uns einige Kilometer weiter, ist es der Boden, auf dem unser Gastgeber Roland seine Kartoffeln und sein Getreide anbaut und vor allem Weiden und Wiesen für seine Milchkühe einsät. Hier dürfen wir die nächsten vier Tage mithelfen beim Kartoffeln roden und sortieren, beim Zäune abbauen auf der Jungviehalp uvm. Dafür werden wir zu tollen Aussichtspunkten über das Rhonetal geführt mit Blick bis zum Matterhorn und köstlich verpflegt. Die Abende verbringen wir in unserer Fünfergruppe in einer kleinen Wohnung im Dorf, singen und spielen Gitarre und philosophieren über Gott und die Welt und natürlich Landwirtschaft.

 

Kunst - KW 42

Was gehört hier zu den Rundgängen, dem Unterricht und dem eigenen, lernenden Herumstreunen noch dazu? Die Antwort ist im anthroposophischen Kontext naheliegend: Die Kunst.

Drei Einheiten Kunstunterricht dürfen wir mit David Bauer, Bildhauer und Kunsttherapeut, erleben. Wir beginnen mit Formenzeichnen an der Tafel. Die erste Form ist der Kreis. Diesen sollen wir erst blind in seiner Form erfassen, langsam mit der Kreide formen und erst dann die Augen wieder öffnen. Jeder malt seinen Kreis, anschließend sollen wir uns gegenseitig dabei beobachten und die beobachtete Person in ihren Bewegungsabläufen nachahmen. Wie steht die Person? In welcher Entfernung zur Tafel? Wie bewegt sie sich? Sind die Arme ausgestreckt oder gebeugt? Was erzeugt das für ein Körpergefühl? Wie kontrolliert ist die Form dabei oder schwingt der Kreis einfach in der Bewegung? Den bewussten Wechsel zwischen Formkontrolle und freier, fließender Bewegung üben wir mit der Acht. In späteren Übungen verbinden wir den Kreis und die Acht, lassen sie auseinanderfließen und sich in neuer Ausrichtung wieder zusammenfinden oder wechseln zwischen der schwungvollen Bewegung des Kreises zu den kleinen Schlangenlinien der Acht. Im Weiteren folgt der Fünf- und Siebenstern, welche höchste Konzentration und Klarheit fordern, um hier wirklich eine Annäherung zur Perfektion der Form zu erlangen.

Die zweite Hälfte des Unterrichts verbringen wir mit bunten Farben. Eine erste Gruppenübung führt uns zu einem gemeinsamen Bild, auf welchem wir durch unsere Farben in Dialog treten und versuchen, uns unseren Herangehensweisen und dem Charakter dieser Farbbegegnung klar zu werden. Einer ist sehr klar und mit selbstbewusster Pinselführung unterwegs, der Nächste malt eher runde Formen, ein anderer bleibt eher in seiner Ecke, der wieder Nächste springt überall ein bisschen rein oder jemand ist nur mit ganz zurückhaltender Strichführung am Rand des Bildes beteiligt. Im nächsten Schritt wechseln wir und schlüpfen in die Malweise einer anderen Person. Wie fühlt sich das jetzt an? Wenn ich vorher mit organischen Linien auf dem ganzen Bild präsent war, merke ich wie meine Farbe langsam verschwindet, wenn ich eine zurückhaltende Position einnehme. Und nicht nur die Farbe verschwindet, sondern auch meine Aufmerksamkeit für die Gruppe; ich bin nur für mich. Eine Frage formt sich in mir: Wie kann ich mich herausnehmen, ohne die Präsenz für die anderen zu verlieren? In einer anderen Übung malen wir mit Pastellkreiden eine aufgeschnittene Frucht. Es geht um das genaue Hinsehen: Was sehe ich nach dem Malen, was mir vorher nicht aufgefallen ist?

In der dritten Einheit gehen wir in´s Plastische und gestalten aus Ton erst eine beliebige Form. Von einer anderen Person wird diese dann in zwei Zwischenschritten zu einer vorgegebenen Form entwickelt. Wir gestalten also aus fünf zufällig entstandenen Ausgangsformen, fünf Verwandlungsreihen hin zu einer Zentralfigur, die in der Mitte steht.

Obwohl ich anfangs kurz zusammenzucke bei der Vorstellung jetzt wieder Formenzeichnen oder Ähnliches zu machen, wie viele Jahre in der Schule, werde ich positiv überrascht. Der Unterschied? Hier geht es nicht nur darum diese Formen auf die Tafel zu bringen oder eine bestimmte Aufgabenstellung nach Vorgabe des Lehrers zu erledigen. Es geht darum uns zu beobachten und darüber im Gespräch zu reflektieren. Was geschieht wo und wie in mir? Fragen und Kritik über die Methode sind willkommen. Diese Gespräche und Reflektionen sind es, die den Unterricht am Ende für mich als etwas sehr Wertvolles erscheinen lassen.