Einblicke in den Unterricht 2021/2022

KW 36 - Bericht vom 9. September: Von Sandstein und Mineralwasser

Standortkunde mit Martin von Mackensen: Das heißt rauf auf die Fahrräder, hinüber über die Jungviehweide, unter dem Zaun hindurch, eine kleine Schräge im Wald hinunter und schon stehen wir inmitten eines alten Steinbruchs, in dem ursprünglich auch die Steine für die Gebäude des Dottenfelderhofes abgebaut wurden. Vor uns tritt nun der Sandstein, welcher mehrere hundert Meter tief reicht, aus dem Erdreich hervor. Die in unserem Blickfeld liegenden, ungefähr 5 cm dicken Schichten, weisen in etwa 20 % Schräglage auf. Nach einer geschwinden Fingerprobe, sowie der Nutzung unseres Gebisses, erfahren wir es genau: Es handelt sich um ein Ton-Sandstein-Konglomerat.

Im Anschluss an den Steinbruch klettern wir wieder über den Zaun auf die Jungviehweide. Mittels einer Spatenprobe ermitteln wir, dass der Boden hier sehr flachgründig ist. Bereits nach ca. 15 cm trifft der Spaten auf den gelben Sandstein - zum Glück ist nur der Bereich direkt um den Steinbruch derartig gestaltet. Zudem finden wir einen scharfen Hahnenfuß, welcher die Theorie des eher sauren, kalkarmen Gesteins als Zeigerpflanze bestätigt.

Als Abschluss unserer Unterrichtseinheit radeln wir zum Römerbrunnen an der Nidda, wo 1929/30 ein 287 Meter tiefer Brunnen gebohrt wurde. Aus diesem strömt noch heute stark eisen- und kalkhaltiges Wasser hervor. „Das schmeckt ja wie Nasenbluten“, so das Ergebnis einer Wasser-Degustation durch den Winzers V.. Warum besitzt dieses Wasser eine derartige Kraft? Warum sprudelt es so stark? Grund hierfür ist der hohe Gehalt an Kohlenstoffdioxid in tiefer liegenden Erdschichten.
Es bleibt zu klären, welche Art von Auswirkungen auf uns und unsere Umwelt dieser menschliche Eingriff von vor knapp 100 Jahren wohl haben mag?

KW 39 – Bericht vom 29. September: Der Präparatetag 

Am frühherbstlichen Michaelitag trafen sich etwa 35 Personen allen Alters im Innenhof, um die in den vergangenen Tagen frisch gesammelten sowie sorgfältig ausgewählten Kuhfladen in die wieder ausgegrabenen Hörner des letzten Jahres zu füllen. Der ganze Hof war durchdrungen vom Geplausche der Kleingruppen und vor allem vom Klopfen der Hörner gegen Schubkarren und Bänke, um den Mist möglichst ins Innere der Hörner zu befördern. Nachdem etwa 1500 Hörner gefüllt worden waren, wurden diese in gemeinschaftlicher Arbeit aufmerksam und leicht senkrecht mit der Spitze nach oben zeigend in die Grube gelegt, aus der bereits die Hörner des letzten Jahres entnommen worden waren. Nach einer gemeinsamen Stärkung an einer herbstlichen Kürbissuppe im Freien wurden die weiteren Präparate vorbereitet: In Teamarbeit frisch abgeriebene Eichenrinde wurde in Kuhschädel gefüllt und deren Öffnungen mit Ton verschlossen.

Anschließend machten sich die Landbauschüler daran, die nun ausbringbereiten Präparate zu ihren vorgesehenen Orten zu bringen. Das Schafgarbe-, Kamille-, Löwenzahn- sowie das Baldrianpräparat wurden in ihren jeweiligen Organhüllen in verschiedene, tief ausgehobene Gruben im Boden gelegt, diese wieder verschlossen und die genaue Lage nachhaltig markiert. Lediglich die Kuhschädel mit dem Eichenrindenpräparat machten bei der Lagerung eien Ausnahme; sie  wurden in einem kleinen, modrigen Tümpel versenkt.

In Ergänzung zu den geschilderten Vorgängen wurde auch noch der Präparatekeller mit den gesammelten Präparaten der letzten Jahre besichtigt und die verschiedenen Substanzen ausfürlich wahrgenommen und begutachtet. Und natürlich wurden während des gesamten Tages wertvolle Informationen zu den einzelnen Vorgängen und ihren Hintergründen erläutert, sowie interessante Gespräche und (Fach-)Disskusionen geführt. 

KW 45 – Bericht vom 9. November: Versuch unterschiedlicher Saatstärken bei Winterzweizen

An diesem Tag nutzten wir die nebligen Morgenstunden, um einem ganz besonderen Vorhaben nachzugehen: Ein Winterweizen-Saatversuch mit unterschiedlichen Saatstärken. Bereits einige Ackerrundgänge zuvor waren wir über die neu eingesäten Äcker des Hofes gelaufen und hatten dabei über mehrere Tage hinweg beobachtet, wie die frisch eingesähten Getreidekörner zu wurzeln -und auflaufen begannen und sich überall das junge Grün aus der Erde streckte. Dabei war auch zu beobachten, dass die Dichte des aufgelaufenen Grüns variierte. Wir stellten uns daher die Frage, inwieweit die Saatstärke eine Auswirkung auf die Entwicklung der Getreidepflanzen-, die Konkurrenzfähikeit mit Beikraut -und letztendlich den Ertrag hat. Um diesen Fragen nachzugehen, säten wir am Dienstagmorgen auf insgesamt drei Quadratmetern unseren Versuch an. Wir steckten dazu drei jeweils ein Quadratmeter große Parzellen ab, zogen ähnlich der Sämaschine insgesamt sechs Saatrillen in gleichem Abstand in den Boden und legten dort die Weizenkörner hinein. Im ersten Quadrat säten wir insgesamt 60 Körner (6 x 10), im Zweiten insgesamt 300 Körner (6 x 50) und im letzten Quadrat 600 Körner (6 X 100). Anschließend wurden die Saatrillen dann  noch sorgfältig mit Erde verschlossen und diese leicht angedrückt. 

Wir bleiben dran und freuen uns auf die Beobachtungen, die wir in den kommenden Monaten (hoffentlich) sammeln werden!

KOHLENSTOFF HIGHLIGHTS- JAHRESKURS 2021/2022

Über einen längeren Zeitraum haben sich die Teilnehmer*innen des Jahreskurses 2021/22 mit der Natur des Kohlenstoffes, seinen Prozessen und dem biologisch-dynamisch erweiternden Verständnis beschäftigt. Diese Texte sind Highlights aus den Einzel-Referaten

 

„Die Landwirtschaft hat die Aufgabe, die Stoffe und Kräfte des Bodens und der atmosphärischen Luft zu benutzen, ihre meist unorganischen Formen in organische zu verwandeln, Pflanzen und Tiere zu erzeugen, welche zur Ernährung und Versorgung menschlicher Bedürfnisse dienen. In diesem Kontext ist der Kohlenstoff ein sehr wichtiger Stoff. Dieser wird in terrestrischen Ökosystemen hauptsächlich durch die Photosynthese von Pflanzen in organische Bindungsformen überführt.“

Christian Frings

 

„An den Landwirten von heute liegt es nun, im Angesicht des Klimawandels, mit verbesserten ackerbaulichen Methoden verantwortungsvoll Landwirtschaft für morgen zu betreiben. Ob dabei nun von Carbon Farming, Regenerativer Landwirtschaft, Agrarökologie oder Biosequestierung die Rede ist, immer geht es darum möglichst viel Kohlenstoff im Boden dauerhaft einzulagern.“

Luis Finke

                       

„Weniger verbreitet sind allerdings wesentliche Zusammenhänge zwischen der Kohlen-stofffreisetzung und der Landwirtschaft im eigenen Lande, wie etwa durch die Zerstörung von Moorflächen durch und für die Landwirtschaft.

Gespeichert ist dieser Kohlenstoff im unter naturnahen Moorbedingungen unzersetzbaren Schwarz- und Weißtorf: Zwischen 500 und 1.100 kg CO2 pro Hektar und Jahr (kg/ha/a) werden in Form von Sphagnen (Torfmoosen) und Torf gebunden (ebd.). Dieses Torfsubstrat kann das bis zu 30-fache seines Eigentrockengewichts an Wasser halten (EIGNER & SCHMATZLER 1980: 14), bietet im Trockenzustand eine optimale Durchlüftung und eine gute Nährstoff- und Säureregulation (BUND 2016: www). Diese Eigenschaften machen den Torf höchst attraktiv für den Gartenbau, besonders für die Anzucht von Jungpflanzen: Etwa 56% des abgebauten Torfs werden hierfür verwendet, die weiteren 44% werden von Hobbygärtnern eingesetzt (ebd.). Dabei ist die deutsche Torfindustrie der größte Hersteller von Blumenerden und Kultursubstraten weltweit: 8,5 Mio. m3 werden jährlich für Pflanzsubstrate in Deutschland produziert, davon stammen etwa 6,5 Mio. m3 aus Deutschland/Niedersachsen und der Rest wird vor allem aus den baltischen Staaten, Skandinavien und Kanada eingeführt (CASPERS & SCHMATZLER 2009: 15). Dieser nun der Durchlüftung ausgesetzter Torf sowie die entwässerten und degenerierten Moorböden wirken durch Oxidation alsbald als gigantische Quelle für Treib-hausgase und in kürzester Zeit werden immense Massen an Kohlendioxid und Lachgas freigesetzt (NIEDERSÄCHSISCHES MINISTERIUM FÜR UMWELT, ENERGIE UND KLI-MASCHUTZ 2016: 8“

 

„Nachdem ich den Arte Film zum Kohlenstoff gesehen habe, habe ich den Eindruck, dass eine große Problematik darin bestehen kann, dass die wenigsten Menschen sich des Kohlenstoffs bewusst sind. Diamantschmuck, Bleistifte, Holzmöbel und Strom aus der Steckdose, das alles kennen und schätzen wir, aber man denkt dabei nicht an den Kohlenstoffkreislauf, geschweige denn daran, wie weitreichend und grundsätzlich das gemeinschaftliche  und individuelle Sein von diesem Element geprägt ist. Einen Ansatz zum Verständnis dieser Tatsache kann auch die anthroposophische Sichtweise darstellen, welche stets um Ganzheitlichkeit bemüht ist, was vielleicht diesem Element, welches eigentlich an sich den manifesten Ausdruck des Prinzips der absoluten Ganzheitlichkeit

 

darstellt, gerechter werden kann als ein rein materieller Blick. „ 

Raphael Bosch

 

 

„In der Anthroposophie wird Kohlenstoff als „heruntergesunkener Gott“ beschrieben,

dessen Bedeutung vergessen wurde. Der Titel passt sehr gut in Anbetracht seiner Geburt

in dem Inneren von Sternen, der regulativen Wirkung auf die klimatischen Bedingungen

unserer Erde und der Fähigkeit wahrend der Photosynthese Sonnenenergie aufzunehmen

und zu speichern. Man könnte ihn auch Licht-Träger nennen. Dadurch und durch die

Fähigkeit eine Vielfalt an komplexen Verbindungen einzugehen, ist er Grundlage alles

Lebens. Der Kohlenstoff ist verantwortlich für den Aufbau von Pflanzen- und Tierkörpern.

Er bildet das Gerüst alles Lebendigen und ist der Träger aller Gestaltungsprozesse in der

Natur.“

Hannah von Bredow

 

„Im Landwirtschaftlichen Kurs wird der Kohlenstoff als der Träger der höchsten Geistigkeit beschrieben. Es werden hierbei Parallele zum „Stein der Weisen“ gezogen. Der Kohlenstoff ist besagt, als Träger aller Gestaltungsprozesse in der Natur zu wirken und der wahre Stoff aller Gestaltung des Lebendigen im irdischen zu sein. Steiner ist der Ansicht, dass wenn vom „Stein der Weisen“ gesprochen wurde, schon immer den Kohlenstoff gemeint war, in seinen unterschiedlichsten Vorkommnissen. Als reiner Kohlenstoff kann er als Ruß, Grafit und sogar als Diamant erscheinen. Die Reinform Kohlenstoff ist jedoch nur „der letzte Ausläufer […] desjenigen, was der Kohlenstoff im Haushalt der Natur eigentlich ist“ (Steiner 2016 S. 77).“

Luisa Albrecht

 

„Die Geschichte des Kohlenstoffs handelt vom Entstehen und Vergehen in unserer Welt. Sie erzählt vom Ziel, das zur Form gerinnt, und von seiner Auflösung in die Unbestimmtheit. Vom Anfang des Lebens und von den Grenzen des Todes. Vom Geist, der in Raum und Zeit Materie im Dienste seines Wollens gegen Schwere stellt. Und vom Tod, der die Stoffe wieder vom Willen befreit. Aber gleichzeitig sie befähigt, neu beseelt zu werden, neue Wege zu gehen. Der ganzen Dramatik von Leben und Tod verleiht der Kohlenstoff durch seine Möglichkeit Spannkraft. Und wir stehen staunend mittendrin. Sehen den Kohlenstoff in seinen Wirkungen und sind selbst Produkt dieser. Hier stehen wir und wollen Leben schaffen! Töten Leben, um weiter zu sein. Wir sehen die Natur und wie sie ständig neu hervorbringt. Sie fasziniert uns, wir wollen Verstehen, wollen selbst Hervorbringen, über die eigene Art hinaus. Doch alles, was wir zustande bringen sind Modifikationen, Umformungen. Diese Umformungen bauen wir an, auf Feldern und auf Bäumen. Wir ziehen sie groß als unsere Haustiere. Wir lassen etwas Weiches, Wässriges wachsen, es wird groß und fest, der Kohlenstoff macht es hart. Die Idee wird Wasser, wird Fleisch und klammert sich schließlich in holziger Umarmung an die Welt, voll Sehnsucht nach ewigem Leben. Doch am Ende dieses Kampfes kann nur Stein, kann Denkmal nur von einst Beseeltem sein.“

Vinzent Ewest

 

„Um mit den Worten Rudolf Steiners zu enden: Der Kohlenstoff, dieser „webende, waltende, sich gestaltende und seine Gestalt wieder auflösende Kohlenstoff“ (Lit.:GA 327, S. 67), es ließe sich noch gar mannigfaltiges über ihn berichten - viel mehr, als nur ein Menschenleben an Zeit aufzubringen vermag.“

Luis Finke