Exkurs: Definition ökologische Pflanzenzüchtung

Maike Bender, Carl Vollenweider

Ökologische Pflanzenzüchtung legt besonderen Wert auf Nachhaltigkeit, die Förderung von Vielfalt, eine ganzheitliche Betrachtungsweise sowie den Respekt vor der Integrität von Pflanzen und anderen Lebewesen. Ziel ist es, Sorten und Populationen mit Eignung für den ökologischen Landbau zu entwickeln.  Die Anwendung technischer Verfahren, welche direkt unterhalb der Zellebene in Pflanzen eingreifen – insbesondere der Einsatz gentechnischer Methoden – sind untersagt. Die natürliche Reproduktionsfähigkeit gilt es in allen Züchtungsschritten zu erhalten.

Mit diesen und weiteren Kernpunkten hat der neugegründete ‚Dachverband für ökologische Pflanzenzüchtung in Deutschland‘ bereits im Jahr 2022 eine Definition für ökologische Pflanzenzüchtung vorgelegt. In dieser Definition wurde, anders als z. B. in den IFOAM Normen[1], auf welchen diese basiert, explizit klargestellt, dass die Züchtung „von Anfang an“ unter ökologischen Bedingungen stattfinden soll. Im Falle der Kreuzungszüchtung bedeutet dies, laut der Definition, dass sämtliche Züchtungsschritte ab der Kreuzung unter zertifiziert ökologischer Bewirtschaftung erfolgen sollen.  Im Falle der Auslesezüchtung, bei welcher keine gezielten Kreuzungen angelegt werden, soll über eine bestimmte Mindestzeitspanne unter zertifiziert ökologischen Bedingungen selektiert werden.

Die Festsetzung des klaren Startpunkts im Falle der Kreuzungszüchtung bzw. einer ausreichenden Mindestzeitspanne ist dabei von zentraler Bedeutung, wie durch intensiven Austausch zur Definition mit verschiedenen Stakeholdern deutlich wurde. Ein wichtiger Grund ist, dass in der ökologischen Pflanzenzüchtung zwar Ausgangsmaterial, welches mit bestimmten Techniken (z. B. chemischer Mutagenese oder in vitro-Doppelhaploid-Verfahren) erzeugt wurde, verwendet werden darf, jedoch nicht die Technik während des Züchtungsganges selbst eingesetzt werden darf. Wird kein klarer Anfang der Züchtung festgelegt, kann diese Unterscheidung nicht getroffen werden. Sämtliche differenzierten Bewertungen von Verfahren nach IFOAM-Positionspapieren[2] werden damit in Frage gestellt. Bei vielen Kulturen bleibt das Zuchtmaterial zudem über viele Generationen hinweg genetisch stabil, z. B. bei Kulturen, die über Klone vermehrt werden (wie Kartoffeln) oder auch bei mit Linienzüchtung bearbeiteten selbstbestäubenden Arten (wie Weizen) ab den höheren Generationen.  Die relevanten Züchtungsschritte finden in diesen Fällen in den frühen, spaltenden Generationen statt, weshalb sichergestellt werden sollte, dass diese unter ökologischen Bedingungen erfolgen.

Diese und weitere Zusammenhänge herauszuarbeiten beansprucht viel Zeit. Die Klärung offener Fragen muss weitergeführt werden.

[1] IFOAM-Normen www.ifoam.bio/sites/default/files/2020-09/IFOAM%20Norms%20July%202014%20Edits%202019.pdf (S. 42 ff., zuletzt abgerufen am 21.12.2023)

[2] www.ifoam.bio/sites/default/files/2020-03/Breeding_position_paper_v01_web_0.pdf (zuletzt abgerufen am 21.12.2023)

Züchtungsziele

Die Forschung & Züchtung Dottenfelderhof führt biologisch-dynamische und ökologische Resistenz- und Qualitätszüchtungsprogramme für die Kulturarten Winter- und Sommerweizen, Wintergerste, Winterroggen, Hafer und Körnermais durch.
Ziel der Programme ist die Entwicklung qualitätsbetonter Sorten für die menschliche und bei Wintergerste, Hafer und Körnermais zusätzlich die tierische Ernährung. Bei Winter- und Sommerweizen werden von der FZD Sorten der höchsten Qualitätskategorie in Bezug auf Backqualitätseigenschaften (‚E-Weizen‘) entwickelt. Erweiterte, ganzheitliche Qualitätskriterien nach biologisch-dynamischen und ökologischen Gesichtspunkten werden in allen Selektions- und Züchtungsschritten durch die Züchter*innen der FZD berücksichtigt.
Vor dem Hintergrund des voranschreitenden Klimawandels kommt in den letzten Jahren verstärkt der Anspruch hinzu, eine breite Widerstandsfähigkeit gegen biotische und abiotische Stressfaktoren in den Sorten zu veranlagen. Ein konkreter Ansatzpunkt zur Entwicklung solcher „resilienter“ Sorten und wichtiger Arbeitsschwerpunkt der FZD liegt im Bereich der Resistenzzüchtung. Es werden die umfangreichen Resistenzprüfungen bei Weizensteinbrand (Tilletia caries, T. foetida) sowie Weizen-, Gerste- und Haferflugbrand (Ustilago tritici, U. nuda, U. avenae) fortgeführt. Dazu kommen Prüfungen auf die Anfälligkeit der Zuchtlinien gegen Fusarium bei Winter- und Sommerweizen sowie Streifenkrankheit (Pyrenophora graminae) bei Wintergerste.
Die Grundlage der Züchtungsarbeit bilden die pflanzengenetischen Ressourcen, die von der FZD in Zuchtgärten und Sortimenten erhalten und verbessert werden. Besonders bei der Wintergerste werden  Anstrengungen unternommen, die Resistenzsortimente durch die Sichtung von Genbankakzessionen mit hoher Widerstandsfähigkeit gegen Flugbrand systematisch zu erweitern. Bei Roggen und Körnermais müssen die nachbaufähigen, offen-abblühenden Populationen aus biologisch-dynamischer Züchtung gegen ertragsstarke Hybridsorten konkurrieren. In einem vom Bundesprogramm Ökologischer Landbau (BÖL) geförderten Forschungsprojekt mit Beteiligung der FZD konnten weitere Fortschritte bei der Bewertung und exakten Quantifizierung der unterschiedlichen Leistungsfähigkeit von Maispopulationen und -hybriden und von Zuchtmethoden für Populationen erzielt werden. Auf Grundlage dieser Ergebnisse werden zukünftig Zuchtprogramme optimiert und neu aufgelegt werden können.

Gesichtspunkte zur biologisch-dynamischen Züchtungsforschung

In den Jahren 1922/23 traten Landwirte an Rudolf Steiner, den Begründer des Biologisch-Dynamischen Landbaues, heran und fragten ihn um Rat, da sie eine zunehmende Degeneration des Saatgutes und mancher Kulturpflanzen zu beobachten meinten. Die Frage lautete: „Was ist zu tun, um den Zerfall der Saatgut- und Ernährungs-Qualität aufzuhalten?“ (Köpf u. v.Plato, 2001). Das war der Beginn, sich in diesem Umfeld mit Fragen zur Pflege des Saatgutes, Sortenerhaltung und Neuzüchtungen zu befassen. Weitere Gesichtspunkte für das Aufgreifen der Saatgutfrage kamen hinzu, als Rudolf Steiner 1924 den ’Landwirtschaftlichen Kurs’ hielt.

Der Organismusgedanke in der bio-dynamischen Züchtung

Die Landwirtschaft als Organismus zu betrachten, ist einer der wesentlichen Gesichtspunkte des Biodynamischen Landbaus. Nach Steiner (1924) erfüllt eine Landwirtschaft ihr Wesen - im besten Sinne des Wortes -, wenn sie als “eine wirklich in sich geschlossene Individualität“ aufgefasst wird. Deshalb müsste “eine gesunde Landwirtschaft dasjenige, was sie selber braucht, in sich selber auch hervorbringen können“.

Der Organismusgedanke spiegelt wider, dass alle seine einzelnen Glieder in wechselseitigen Verhältnissen stehen und sich gegenseitig bedingen. Idealerweise sollte demnach das Saatgut - als eines der Glieder dieses landwirtschaftlichen Organismus - im eigenen Betrieb erzeugt werden. Die biodynamischen Züchter achten daher darauf, dass die von ihnen entwickelten Sorten nachbaufähig sind. Daher werden von ihnen auch keine F1-Hybrid-Sorten gezüchtet. Andererseits geschieht die praktische Züchtungsarbeit unter den Bedingun- gen eines nach ‘demeter‘-Richtlinien anerkannten Betriebes.

Nahrung für Leib, Seele und Geist

Der zweite wesentliche Gesichtspunkt für das Aufgreifen der Saatgut- und Züchtungsarbeit bestand in der Qualitätsfrage, insbesondere hinsichtlich der Ernährung. Es ist ein wichtiges Anliegen der biodynamischen Züchter, dass die Nahrungsmittel aus ihren Sorten nicht nur der Ernährung des Leibes, sondern insbesondere auch dem seelischen und geistigen Wohl des Menschen dienen. Daneben sollen sie schmackhaft, bekömmlich und gesund sein. Im Leitbild für biologisch-dynamische Pflanzenzüchtung ist dieses Ziel, Sorten für eine menschengemäße Ernährung zu züchten, verankert (www.demeter.de).